Die Kinder von Golzow

Erinnerung ist Liebe zur Zukunft - 30 Jahre Deutsche Einheit
Eine Kooperation mit dem Kinostar Arthaus-Kino Heilbronn

Podiumsgespräch und Filmausschnitte mit
Barbara und Winfried Junge, Simone Catharina Gaul, Marieluise Seidel
Moderation: Angelika Nguyen

Alles begann 1961 mit einem kurzen Dokumentarfilm über 6-jährige Schulanfänger. Was die Filmemacher damals noch nicht ahnten: Daraus wurde die älteste und längste Dokumentarfilmbeobachtung realer Biographien in der Filmgeschichte, heute bekannt unter dem Titel »Die Kinder von Golzow«. Nicht nur Lust und Laune trieb das Filmteam immer wieder zurück in das Dorf im Oderbruch – sondern auch eine Mission: Es galt, den Erfolg der 10-Klassen-Schule auf dem sozialistischen Dorf zu beobachten. Jedoch war es das Leben selbst, das solchen Plänen in die Quere kam. So zeigt die Dokumentation »Die Kinder von Golzow« außer Erfolgen im Leben der Protagonisten auch Enttäuschungen und Niederlagen – und den enormen Bruch in den Biographien durch Mauerfall und deutsche Einheit – sowie die Nöte und Zweifel der Filmemacher selbst. 2007 beendeten sie das Projekt.
2017 erschien unter anderer Regie der Dokumentarfilm »Die neuen Kinder von Golzow«. Er erzählt, wie die Aufnahme geflüchteter syrischer Familien die Schule von Golzow vor der Schließung rettete und neues Leben ins Dorf brachte. Vielstimmig erzählt der Film aus dem heutigen Golzow und spart auch die Beobachtung fremdenfeindlicher Hetze nicht aus. Es ist ein ermutigendes Dokument darüber, wie fremde Menschen miteinander in Austausch kommen und Vorurteile abbauen können.

Der Golzow-Abend lädt im Wechsel mit Filmausschnitten zum Gespräch ein mit dem Regie-Paar Barbara und Winfried Junge und der Regisseurin Simone Catharina Gaul sowie mit einer unvergesslichen Protagonistin, deren 90-minütiges Einzelporträt 1997 erschien: Marieluise Seidel. Im Gespräch soll es um die Verdienste des Golzow-Projekts gehen, aber auch um die Ambivalenz dokumentarischen Erzählens, um dessen Chancen und Risiken.

 

© absolut Medien GmbH

Winfried Junge ist Dokumentarfilmregisseur und wurde durch das Langzeitprojekt »Die Kinder von Golzow« bekannt. 1958 macht er sein Diplom zum Filmdramaturgen im DEFA-Studio für Populärwissenschaftliche Filme. Er arbeitete als Dramaturgie- und Regieassistent, vornehmlich bei Filmen von Karl Gass. Daneben war er auch als Filmkritiker tätig. Er wurde mit dem Nationalpreis der DDR und mit zahlreichen weiteren Preisen ausgezeichnet.

© absolut Medien GmbH

Barbara Junge ist vor allem als Co-Regisseurin des Langzeitprojektes »Die Kinder von Golzow« bekannt. Sie studierte an der Karl-Marx-Universität in Leipzig und schloss mit dem Diplom als Dolmetscherin für Englisch und Russisch ab. Ab 1969 arbeitete sie im DEFA-Studio für Dokumentarfilme und war für fremdsprachige Fassungen der Dokumentarfilme verantwortlich. Ab 1978 betreute sie die Archivdokumentation des »Golzow«-Projekts und ab 1983 auch die Montage der Filme ihres Ehemannes Winfried Junge.

© privat

Marieluise Seidel wurde im September 1954 in Golzow geboren und seit ihrer Einschulung 1961 von Winfried und Barbara Junge für »Die Kinder von Golzow« begleitet. Nach ihrem Schulabschluss arbeitete sie als Chemielaborantin, nach der Wende war sie als Zahnarzthelferin tätig. Der Film »Da habt ihr mein Leben. Marieluise – Kind von Golzow« folgt ihr von der Einschulung bis zu ihrem Einzug in ihr Einfamilienhaus in Köln-Troisdorf im Jahr 1995.

© Katrin Streicher

Simone Catharina Gaul wurde 1984 in Stuttgart geboren und lebt als Regisseurin und freie Journalistin in Berlin. Von 2004 bis 2009 studierte sie in Stuttgart und Paris Romanistik und Politikwissenschaft, anschließend Regie an der Filmakademie Baden-Württemberg. Ihr Abschlussfilm »Bintou« wurde 2014 für den FIRST STEPS Award nominiert. 2018 erschien ihr Dokumentarfilm »Die neuen Kinder von Golzow«, über zwei geflüchtete Familien aus Syrien, die in der 850-Seelen-Stadt Golzow ein neues Leben beginnen.

© privat

Angelika Nguyen erwarb 1986 ihr Filmwissenschafts-Diplom an der HFF in Babelsberg. Seitdem sie „Lebensläufe – Die Geschichte der Kinder von Golzow in einzelnen Porträts“ von 1980 sah,  ließ sie das Projekt nicht mehr los. 1998 schrieb sie erstmals darüber einen Text, der in der Publikation „Heimat in DDR-Medien“ der Bundeszentrale für politische Bildung unter dem Titel „Niemand weiß, was aus einem Kinde wird“ erschien. Es folgten weitere analytische Texte zum Golzow-Projekt und ein Interview mit Barbara und Winfried Junge. Angelika Nguyen arbeitet als Autorin, Kuratorin und Filmjournalistin.