Trauma Treuhand

Erinnerung ist Liebe zur Zukunft - 30 Jahre Deutsche Einheit
Eine Kooperation mit dem Kinostar Arthaus-Kino Heilbronn

Podiumsdiskussion mit Detlef Scheunert, Dirk Laabs, Dr. Marcus Böick
Moderation: Prof. Dr. André Steiner

»Trauma Treuhand«, so titelte ein Artikel am 5. März 2019 in der Berliner Zeitung, in dem Maritta Tkalec dringend nach einem »faktenbasierte[n] Urteil über die Treuhand« verlangte. »Im Reich der widersprüchlichen Legenden«, so Tkalec, »hat es Sachlichkeit bis heute schwer, schon gar nicht kann es zu Einsicht, Bedauern oder Korrektur womöglich irriger Darstellungen kommen. Das Trauma Treuhand bleibt, solange die Archive schweigen. Die AfD dankt.« Spätestens seit die sächsische Integrationsministerin Petra Köpping im vergangenen Jahr ihr Buch mit dem provokanten Titel »Integriert doch erstmal uns!« veröffentlichte, ist die Treuhandanstalt wieder in aller Munde. Von den einen als beispiellose neoliberale Abwicklungsanstalt geschmäht, von den anderen als alternativlose Notwendigkeit zur Überführung der Plan- in die Marktwirtschaft verteidigt, gehört sie von Beginn an zu den umstrittensten deutschen Institutionen. Inzwischen wird deutlich, dass die radikale ökonomische Umstrukturierung der DDR-Planwirtschaft nach 1990 und die damit verbundenen sozialen und ökonomischen Einschnitte nicht zuletzt eine verheerende psychologische Wirkung auf die davon Betroffenen hatte. Diese wird in letzter Zeit vermehrt zur Erklärung für die Frustration der Menschen in Ostdeutschland und den erschreckenden Rechtsruck bei den diesjährigen Europawahlen und den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg herangezogen. Sicher ist, dass die historisch-fundierte, kritische Auseinandersetzung mit diesem schwierigen Kapitel deutscher Nachwendegeschichte erst am Anfang steht – zumal die Erschließung der Archive mit Schwierigkeiten verbunden ist.

© privat

Detlef Scheunert war Geschäftsführer und Manager und von 1990 bis 1994 der einzige Ostdeutsche unter den Direktoren der Treuhandanstalt. Nach dem Abitur studierte er in Dresden Maschinenbau und arbeitete als Ingenieur in Berlin. Mit 27 Jahren wurde er Assistent des Ministers im DDR-Maschinenbauministerium. 1990 lernte er am Rande einer Volkskammersitzung den damaligen Chef der Treuhand-Anstalt, Detlev Karsten Rohwedder, kennen, der ihm bei diesem Treffen einen Wechsel in seine Behörde vorschlug. Dort leitete Scheunert den Bereich Glas, Keramik, Medizintechnik, Optik und Feinmechanik. Von ursprünglich 78.000 Arbeitsplätzen in den von ihm beaufsichtigten Branchen konnte er 15.000 erhalten.

© privat

Dr. Marcus Böick studierte Geschichte, Politikwissenschaft, Soziologie und Sozialpsychologie an der Ruhr-Universität Bochum und wurde dort 2016 mit einer Arbeit über die Treuhand promoviert. 2016-17 war er Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Projekt »Wahrnehmung und Bewertung der Arbeit der Treuhandanstalt« im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums. Seit 2017 ist er Akademischer Rat auf Zeit am Historischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. 2018 erschien mit seinem Buch »Die Treuhand. Idee – Praxis – Erfahrung 1990-1994« die erste zeithistorische Untersuchung zur Treuhandanstalt, ihrem Personal und ihrem so vielschichtigen wie widersprüchlichen Arbeitsauftrag

© Thomas Duffé

Dirk Laabs ist investigativer Journalist und Filmemacher und hat jahrelang auf dem Gebiet islamistischer und internationaler Terrorismus recherchiert. Er ist Autor der Bücher »Heimatschutz – Der Staat und die Mordserie des NSU« (mit Stefan Aust; 2014) und »Der deutsche Goldrausch – die wahre Geschichte der Treuhand« (2012). Für letzteres erhielt er den Förderpreis Opus Primum der VolkswagenStiftung für die beste wissenschaftliche Nachwuchspublikation. Mit »Die Fremden im Paradies – warum Gotteskrieger töten« gewann er den Dokumentarfilmpreis des Bayerischer Rundfunks und den Axel-Springer-Preis (2. Platz). Seine Dokumentationen liefen auf zahlreichen Festivals und Sendern in Deutschland, der Schweiz und dem restlichen Europa.

© Ulrich Mählert

Prof. Dr. André Steiner ist Wirtschaftshistoriker und außerplanmäßiger Professor an der Universität Potsdam sowie Projektleiter am Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF). Von 2006 bis 2013 leitete er am ZZF die Abteilung Wirtschaftliche und soziale Umbrüche im 20. Jahrhundert. Er forschte und veröffentlichte umfangreich zur Wirtschaftsgeschichte der DDR und befasste sich mit der Wirtschaft im Nationalsozialismus und der Wirtschaftsintegration in West- und Osteuropa nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu seinen gegenwärtigen Forschungsschwerpunkten zählen zudem die Wirtschaftsgeschichte der Globalisierung sowie die Konsumgeschichte Deutschlands.