Dramenwettbewerb »Science & Theatre«

Lesungen
Theaterkasse

»Utopie MenschMaschine?« — so lautet auch das Motto des diesjährigen internationalen Dramenwettbewerbs, den das Theater Heilbronn und das Science Center experimenta regelmäßig im Rahmen des Festivals »Science & Theatre« ausschreiben.

Die fünfköpfige Jury aus Vertreterinnen und Vertretern von Kunst und Wissenschaft hat aus den eingesandten Texten vier Favoriten ausgewählt (der dritte Platz wird in diesem Jahr zweimal vergeben), die dem Publikum in szenischen Lesungen vorgestellt werden. Die Autorinnen und Autoren sind anwesend und beantworten Fragen zu ihren Stücken. Außerdem kann das Publikum seinen eigenen Favoriten küren.

Der erste Preis ist mit 10.000 Euro, der zweite und dritte Preis jeweils mit 5.000 Euro dotiert. Das Gewinnerstück wird zudem in der kommenden Spielzeit im Science Dome der experimenta uraufgeführt.

»Cyborg oder Das Köterspiel« von Walter Brunhuber
Die Aufklärung ist am Ende. Den Menschen sind jegliches Mitgefühl und die Empathie abhandengekommen. Ein Ergebnis der natürlichen Selektion, die nur die stärksten überleben lässt. Empfindsamkeit und die Fähigkeit zu lieben scheinen beim Menschen nur noch mittels Implantation eines Chips in den Frontallappen des Gehirns hervorrufbar. Die neue Unmenschlichkeit bestimmt das Miteinander bis in die Paarbeziehungen hinein. Mara und Tonek zum Beispiel haben gegen die Langeweile in ihrer Ehe ein grausames Spiel entwickelt: das Köterspiel. Immer wenn es einem von beiden gelingt, dem anderen ein Hundehalsband anzulegen, muss sich der Unterlegene in die Rolle eines Hundes begeben.
Walter Brunhuber stellt zur Diskussion: Was, wenn die ethischen Regeln unseres Zusammenlebens nicht mehr fruchten? Hilft dann nur noch ein Bio-Update? Ist der Gedanke so absurd, das, was Philosophie und Religion nicht mehr an Orientierung für das Zusammenleben leisten können, durch »Gehirnmanipulation« zu ersetzen?

»Die letzte Nacht der Welt« (»La dernière nuit du monde«) von Laurent Gaudé (Übersetzung: Margret Millischer)
In Gaudés Stück geht es um die weltweite Abschaffung der Nacht und der damit verbundenen Ruhephasen für die Menschen. Mittels eines neuen Medikaments brauchen die Menschen nur noch 45 Minuten Schlaf am Tag. Die Produktivität der Gesellschaft, ja der gesamten Menschheit, wächst ins Unermessliche. Gabor, einer der Protagonisten dieser Weltrevolution, zahlt allerdings einen hohen Preis für seinen Glauben an den grenzenlosen Fortschritt und das bedingungslose Diktat der Effektivität. Und auch die Natur setzt sich zur Wehr. Laurent Gaudé imaginiert die Folgen des Umbaus des Menschen zur Arbeitsmaschine und stellt die Frage in den Mittelpunkt, ob all das, was denkbar und technisch möglich ist, auch unbedingt umgesetzt werden muss.

»Häufig gestellte Fragen zum Fortbestand der Menschheit« von Roman Eich
Eine Tages verschwindet die Künstliche Intelligenz LUCID aus einem Forschungslabor in Zürich. Zwölf Jahre später macht Astrophysiker Haase eine merkwürdige Entdeckung auf dem Merkur. Er bemerkt eine Helligkeitsanomalie, das Rückstrahlungsvermögen des Merkur, die sogenannte Albedo, verringert sich kontinuierlich. Langsam wird klar, dass eine von Menschen geschaffene künstliche Intelligenz sich unbemerkt von der Erde zum Merkur begeben hat und dort haufenweise Solarpanels errichtet, die die Sonnenenergie absorbieren. Wenn das so weiter geht, wird diese für das Leben auf der Erde bald nicht mehr ausreichen. LUCID braucht die Menschen nicht und arbeitet ungerührt an der Zerstörung seiner eigenen Schöpfer.
Wissenschaftsethiker stellen immer wieder zur Diskussion, ob sich die Machtverhältnisse zwischen Menschen und künstlicher Intelligenz nicht irgendwann umkehren. Mit viel Humor entwickelt Roman Eich ein apokalyptisches Szenario, das, so futuristisch es auch klingt, von einer zwingenden logischen Konsequenz ist.

»Das vierte Treffen« von Ralf N. Höhfeld stellt uns ein besonderes Liebespaar vor. Die beiden sind perfekt – besonders attraktiv und klug. Fast zu schön um wahr zu sein. Und tatsächlich rückt die Frau bei ihrem vierten Treffen damit heraus, ein Roboter zu sein. Roboter ihrer Generation sind so perfekt, dass sie Menschen zum Verwechseln ähnlich sind. Und warum sollten sie keine Liebesbeziehung mit Wesen aus Fleisch und Blut eingehen können? Der Mann, der sich zunächst schwer irritiert gibt, muss letztlich zugeben, dass er auch nicht das ist, was er zu sein scheint. Ralf N. Höhfelds Stück kreist um die Frage, wie weit wir noch davon entfernt sind, dass man Roboter auch visuell und haptisch nicht mehr von Menschen unterscheiden kann? Ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis wir fehlbaren, vergänglichen Menschen durch ideale Nachbildungen ersetzt werden können? Aber wo bleibt dann das Glück?