Lulu

Oper von Alban Berg
Gastspiel Theater und Orchester Heidelberg

Lulu – »die Urgestalt des Weibes«, das »geschaffen ward, Unheil anzustiften, zu locken, zu verführen, zu vergiften, zu morden, ohne dass es einer spürt.« Mit diesen Worten wird Lulu im wahrsten Sinne des Wortes vorgeführt und ins Geschehen getragen – als ­Schlange, die ein Tierbändiger den Besuchern seiner Menagerie präsentiert. Wer sie sieht, ist von ihr hingerissen. Dank ihrer Schönheit und erotischen Ausstrahlung entkommt Lulu dem sozialen Elend, in das sie hinein­geboren ­wurde. Auch Chefredakteur Dr. Schön ist ihr verfallen. Doch statt sie zur Frau zu nehmen, verheiratet er sie zweimal – zunächst mit einem herzschwachen Medizinalrat, dann mit einem schwärmerischen Maler – nur um Lulu weiter als Mätresse zu behalten, während er offiziell standes­gemäß verlobt ist. Beide Ehemänner von Lulu bezahlen ihre Leidenschaft für die Schöne mit dem Leben. Das Herz der Femme fatale indes gehört allein Dr. Schön, der schließlich wegen einer Erpressung ­seine heimliche Liaison legitimieren muss und Ehemann Nummer drei wird. Lulu hat es geschafft. Nun gehört sie zur gesellschaftlichen Elite der Stadt, führt einen Salon, in dem ihr Männer und Frauen gleichermaßen zu Füßen ­liegen. Was wiederum ihr krankhaft eifersüchtiger Mann nicht ertragen kann. Sein Versuch, sie zum Selbstmord zu zwingen, gerät zur eigenen Hinrichtung. Doch damit beginnt auch der rasante Fall der Lulu.

»Engel ohne Seele«, Kindsfrau, Tabulose – so die Zuschreibungen für diese faszinierende Frauenfigur. »Ich hab’ in der Welt nie etwas anderes scheinen wollen, als wofür man mich genommen hat, und man hat mich nie in der Welt für etwas anderes genommen, als was ich bin«, sagt Lulu von sich selbst. Sie ist durchlässig für alle Projektionen, anmutig, überbordend und nicht zu bändigen. An ihr brechen alle bürgerlichen und gesellschaftlichen Konventionen.

Karl Kraus beschrieb Lulu als Frau, die im Leben mir ihren gescheiterten Hoffnungen und Sehnsüchten zur Alleszerstörerin wird. Und Karl Kraus ist es auch zu verdanken, dass Alban Berg als junger Komponistenschüler von Arnold Schönberg mit dem Stoff von Frank Wedekind in Berührung kam. Kraus hatte 1905 in Wien eine Privattheatervorstellung von Wedekinds 1904 uraufgeführtem und sofort verbotenem Stück »Die Büchse der Pandora« organisiert, welcher Alban Berg beiwohnte. Lulu setzte sich sofort in seinem Hirn fest, auch wenn er erst 1928 mit der Komposition der Oper begann.

Alban Berg schuf mit »Lulu« die erste 12-tonale Oper nach Wedekinds Dramen »Erdgeist« und »Die ­Büchse der Pandora«, die der Komponist 1913 zum Drama »Lulu« vereinte. Ohne den dritten Akt seines Meisterwerks beenden zu können, verstarb er. »Lulu« erlebte ihre Uraufführung 1937 postum als Fragment in Zürich mit großem Erfolg.

Das Theater und Orchester Heidelberg gastiert mit der kammerorchestralen Umsetzung des Werks von Komponist Eberhard Kloke (Uraufführung 2007), einer Komposition von besonderer dramatischer Unmittelbarkeit. Regie führt der Heilbronner Intendant Axel Vornam.

Eine Einführung der Dramaturgin Ulrike Schumann können Sie hier hören.

Arnim Bauer | Ludwigsburger Kreiszeitung | 21.02.22

Axel Vornam nutzt diese Chance mit sehr viel Augenmaß, zeigt eine Aufführung, die den Raum, sich  stark auf die Handlung zu stützen, nahezu optimal nutzt und doch auch musikalisch einiges zu bieten  hat, die in jedem Fall neue Akzente außerhalb des Mainstreams setzt.

…. Jenifer Lary, die neben einem satten, angenehmen Sopran eben auch so mache darstellerische Finesse zu bieten hat, geht in der Titelrolle mit bestem Beispiel voran. Sie singt die Rolle nicht  einfach, sie spielt sie in allen Facetten der vamp-artigen Frau fast schon genüsslich aus. Dabei findet sie in dem australischen Bariton James Homann in der Rolle des Dr. Schön oder dessen Sohn Alwa, verkörpert vom US-amerikanischen Tenor Corby Welch oder der russischen Mezzosopranistin Zlata Khershberg in der Rolle der Gräfin adäquate Partner und Partnerinnen. Eine gelungene Aufführung, kurzweilig und manchmal überraschend, eine durchweg die Spannung haltende Geschichte, zügig erzählt …

Claudia Ihlefeld | Heilbronner Stimme | 21.02.2022

Im Stil der 20er Jahre ausgestattet ist auch das »Lulu«-Gastspiel aus Heidelberg im Heilbronner Großen Haus, das den Blick ganz auf die Titelheldin richtet, um die die Männer episodenhaft wie Trabanten kreisen.

Jenifer Lary ist eine hinreißende Lulu mit lyrischem Sopran, der in den schrägsten Zwölfton-Höhen mal schneidend, mal sehnsuchtsvoll klingt. Auch darstellerisch ist Lary großartig, wenn sie die Kostüme und Rollen einer Frau wechselt, die die Männer, Liebhaber und Verehrer wahlweise Lulu, Mignon, Lilly oder Eva nennen. Raffiniert treibt Lulu mit ihrem Besitzanspruch Dr. Schön in die Enge, den James Homann mit sonorem Bariton als zerrissenen Charakter gibt.

Wie Lary und Homann setzen auch Corby Welch als Alwa, Ipca Ramanovic als Tierbändiger, Rodrigo und Athlet oder Marta Swiderska als liebesblöder Gymnasiast die expressionistisch überdrehte Handlung um - ein spannungsreicher Hörgenuss.

Alexander Walther | Online Merker | 19.02.2022

... es Axel Vornam gelungen ist, einen elektrisierenden dramaturgischen Bogen zu spannen. ... Die Sängerriege konnte sich wirklich hören lassen. Klassizistische Tendenzen durch Vereinfachung der rhythmischen Struktur blitzten leuchtkräftig hervor. Das Schichtendenken der polymetrischen Konstruktionen kam auch in der Kammermusikfassung deutlich zum Vorschein.

...  Viel Applaus und »Bravo«-Rufe für das Philharmonische Orchester Heidelberg und das gesamte Ensemble.