Hawaii (UA)

Schauspiel nach dem Roman von Cihan Acar (Uraufführung) | Für die Bühne bearbeitet von Nurkan Erpulat und Andreas Frane

Es ist heiß in Heilbronn. Die Hundstage im Juli  machen aus der Industriestadt im Neckar­tal einen dampfenden, brodelnden Kessel, in dem es nach Suppe riecht. Von Donnerstagabend bis Sonntagmorgen läuft Kemal Arslan durch die Stadt, in der er aufgewachsen ist. Und der er schon einmal den Rücken gekehrt hatte. Der Traum von der Profifußballkarriere beim türkischen Erstligisten Gaziantepspor allerdings ist geplatzt. Kemal hatte sich zu einem Autorennen provozieren lassen. Es kam zu einem bösen Unfall mit seinem geliebten Sportwagen – und zu einer schlimmen Fußverletzung.

Nun ist er zwischen Allee und Theresienwiese, Heilbronn-Ost und Hawaii auf der Suche nach (s)einem Platz im Leben und wohl auch nach sich selbst. Er trifft sich mit einem halbseidenen Jungunternehmer, bei dem ihm sein Vater einen Job verschaffen will, zockt mit alten Kumpels, hat eine Begegnung mit der Döner-Mafia und versucht, seine frühere Freundin Sina wiederzuerobern. Währenddessen heizt sich der Konflikt zwischen der nationalistischen Bürgerwehr HWA (»Heilbronn, wach auf«) und der Gang der Kankas (»Blutsbrüder«) auf und mündet in eine Straßenschlacht auf der Allee. Kemal erkennt, dass er zwischen allen Stühlen sitzt und sich den ganzen Zuschreibungen der anderen Menschen entziehen will. Es muss sich etwas ändern. Er muss sich ändern.

Mit seinem ersten Roman »Hawaii« hat der junge Autor Cihan Acar, 1986 geboren, einen Sensationserfolg gelandet und Heilbronn – und sein ehemaliges »Problem«-Viertel – auf der literarischen Landkarte platziert. »Hawaii«, eine spannende, zuspitzende Mischung aus gesellschaftspolitischer Nahaufnahme, Roadtrip und Entwicklungsroman, erhielt 2020 den Literaturpreis der Doppelfeld Stiftung und stand auf der Shortlist für den »Aspekte«-Literaturpreis. Das Theater Heilbronn hat sich die ­Rechte für die Uraufführung gesichert und mit Nurkan Erpulat einen mehrfach preisgekrönten Regisseur verpflichtet, der »Hawaii« als pralle Schauspielfassung auf die Bühne des Großen Hauses bringen wird.

Mehr Informationen zur Entstehung der Inszenierung gibt es in unserem Podcast.

Claudia Ihlefeld | Heilbronner Stimme | 27.09.2021

Erpulat gelingt eine musikalische, nachgerade choreographierte Inszenierung. Die Szenen sind eng verflochten und die Perspektivenwechsel filmisch fließend.  … Dabei ist das vortreffliche Ensemble - die meisten schlüpfen in mehrere Rollen - stets in Bewegung und schafft die Drehbühne in scharfen Schnitten immer neue Handlungsorte und Stimmungen. … Gastschauspieler Doga Gürer zeigt Kemal mit umwerfender Unbefangenheit als zurückhaltenden Außenseiter, der sich weder in der türkischen Community noch der deutschen zu Hause fühlt.

Brigitte Fritz-Kador | Rhein-Neckar-Zeitung | 29.09.2021

Die Bühnenfassung von Regisseur Nurkan Erpulat und Chefdramaturg Andreas Frane setzt auf ein Theater mit allen Mitteln, das heißt auch eher typisierend als psychologisierend, um so der Epik der „Story“ gerecht zu werden. … Figuren und Stimmungen reihen sich aneinander, rauf und runter, oft atemlos schnell. … Das Publikum hält zweieinhalb Stunden den Atem an, um dann kräftig zu applaudieren. Es feiert ein beeindruckendes junges Ensemble …