Amphitryon

Schauspiel von Heinrich von Kleist

Alkmene ist völlig trunken von der heißen Liebesnacht mit ihrem Gemahl Amphitryon und verabschiedet ihn schweren Herzens zurück in den Krieg. Da steht er wenige Stunden später wieder vor ihrer Tür: »Oh Gott! Amphitryon. So früh zurück?«, ruft sie aus und stürzt ihn damit in Konfusion. Hat er doch seine Frau seit fünf Monaten nicht gesehen und glaubt, sie müsse sich vor Sehnsucht nach ihm verzehren. Und nun meint sie, er sei zu früh zurück?

Die beiden wissen nicht, dass Gott Jupiter höchst selbst vom Olymp herabgestiegen ist, um in Gestalt Amphitryons mit dieser schönen Frau zu schlafen. Alkmene liebt ihren Mann so sehr, dass sie sich nie auf einen anderen, auch nicht auf den größten aller Götter eingelassen hätte. Jupiters willfähriger Gehilfe Merkur verwandelt sich zudem in Amphitryons Diener Sosias, treibt üble Scherze mit dessen Frau Charis und stürzt den wahren Sosias in eine Krise.

Der Göttervater nimmt sich, was er will, und löst ­damit ein Verwirrspiel aus, das für die Zuschauer voll aberwitziger Komik, für die Beteiligten aber nicht ohne Bitterkeit ist. Eifersucht, Zweifel, Scham – Alkmene und der echte Amphitryon gehen emotional durch die Hölle. Jupiter indes hat noch lange nicht genug. Er legt es darauf an, dass die Eheleute in völlige Bedrängnis geraten und geht so weit, Amphitryon ins Gesicht zu sagen, dass er nicht der sei, der er zu sein behauptet. Schließlich soll Alkmene entscheiden, welcher von beiden der wahre Amphitryon ist.

Heinrich von Kleists »Amphitryon« aus dem Jahre 1806 ist wohl die bekannteste Bearbeitung des alten mythologischen Stoffes von der Verführung der Alkmene durch Jupiter, aus deren Verbindung Herkules hervor­gegangen ist. Kleist griff auf Molières Bearbeitung der Sage von 1668 zurück und führte diese weiter zu einer philosophischen Ergründung des »Ichs«. Was ist das »Ich« wert, dessen man sich so sicher zu sein glaubt, wenn es von anderen nicht anerkannt oder mutwillig demontiert wird? Da, wo das Urver­trauen in die eigene Identität einmal verloren gegangen ist, kann man sich nur schwer davon wieder erholen. Und es bleibt das berühmteste »Ach« der Literaturgeschichte – das »Ach« der Alkmene.
Neben der hohen Kunst, Komödie und Tragödie so wunderbar zu vereinen, und neben der existentiellen Tiefgründigkeit dieses Stückes ist es vor allem seine sprachliche Virtuosität, die Kleists »Amphitryon« unsterblich und zum viel gespielten Klassiker auf den deutschsprachigen Bühnen macht.

Christoph Feil | Heilbronner Stimme | 11.10.21

Die herausragende Regina Speiseder vollzieht in der Rolle glaubhaft den Wandel von der ebenso liebenden wie selbstbewussten Ehefrau zur erschütterten Betrogenen. … In Stefan Eichbergs  Göttervater scheint jener Typus Playboy durch, der so verunsichert wie rücksichtslos bei den Frauen nach Bestätigung fürs eigene Ego sucht. Ein rabiater Krieger, dessen Temperament immer wieder mit ihm durchgeht: Arlen Konietz führt dagegen anhand seines Amphitryons die Komik eines Cholerikers vor. … Umschwirrt und verdoppelt wird dieses Dreiergespann von Diener Sosias und seiner Frau Charis, ein mitunter überdrehtes Duo (Oliver Firit und Romy Klötzel), das sich in seiner List und seiner Unterwürfigkeit, man muss es so sagen, verdient hat. Aufgemischt wird es von Gehilfe Merkur, den Lion Leuker vergnüglich pfeifend sein eigenes Süppchen kochen lässt.

Arnim Bauer | Ludwigsburger Kreiszeitung | 12.10.21

Bewegung und Komik tun ein Übriges, dass der Abend im besten Sinne auch kurzweilig wird. So spielt Oliver Firit, seit vielen Jahren schon wichtige Stütze des Heilbronner Ensembles, in der Rolle von Amphitryons Diener Sosias hervorragend auf einem schmalen Grat zwischen Komik, Körpertheater und klassischer Darstellung – ein Metier, das er großartig beherrscht.
Regina Speiseder in der Rolle der Alkmene zwischen einem Wechselbad von Gefühlen steht ihm in nichts nach, und Stefan Eichberg gibt einen souveränen, blond gelockten Jupiter. Und da auch die übrigen Darsteller nicht abfallen, ist es auch unter dem schauspielerischen Aspekt eine Freude zuzuschauen.