Die Tür nebenan

(La Porte à coté) Komödie von Fabrice Roger-Lacan
Deutsch von Pamela Knaack

Eine Frau und ein Mann: Sie wohnen Tür an Tür und befinden sich im selben Lebensabschnitt. Damit enden aber auch schon die Gemeinsamkeiten. Eigentlich könnte man sagen, dass die beiden vollkommen gegensätzlich sind. ER kommt aus der Werbebranche, ist Marketingchef einer Firma, die Milchprodukte verkauft und nimmt das Leben leicht. SIE schaut als Psychologin genauer hin, sollte man zumindest meinen. Dass SIE auch die eine oder andere Neurose und einen großen Hang zur Düsternis hat, muss ja niemand wissen. Als sie sich das erste Mal begegnen, beschallt ER gerade das ganze Haus mit Anton Bruckners Siebter Sinfonie. SIE hämmert gegen seine Tür. ER soll gefälligst seine »Nazimusik« leise machen, ob er denn nicht wisse, dass Bruckner der Lieblingskomponist von Hitler war? Und schon entspinnt sich die hitzigste Diskussion, an deren Ende die Türen knallen. Wann immer sich die beiden von nun an über den Weg laufen, dauert es nicht lange, bis es kracht. SIE dreht ihm mit ihren psychologischen Spitzfindigkeiten das Wort im Munde um, ER kontert mit maßlosen  Übertreibungen und Verschärfungen. Ihre intellektuellen Scharmützel führen dazu, dass sie sich immer weniger ausstehen können. Oder? Dabei suchen sie doch insgeheim in Partnerschaftsportalen nach dem Glück. Aber eins ist klar: Der Traumpartner sollte auf jeden Fall das Gegenteil der Person hinter der Tür nebenan sein.

Allein wegen der geschliffenen Sprache, die Fabrice Roger-Lacan seinen beiden Helden in den Mund legt, und wegen der mit Temperament aufeinanderprallenden Gegensätze ist es ein großes Vergnügen, zuzusehen, wie sich bei den Protagonisten aus jedem noch so nichtigen Anlass die absurdesten Streitereien entwickeln können. Ähnlichkeiten mit im realen Leben vorkommenden Kommunikationsmustern sind natürlich rein zufällig. Dass es in dieser mit leichter Hand geschriebenen Komödie um nichts anderes als die Liebe geht, lässt sich ahnen.

Ranjo Doering | Heilbronner Stimme | 14.11.22

Firit und Raab – geschlechterstereotyp in Blau und Pink gekleidet – verkörpern ihre Rollen authentisch und ohne jede Überzeichnung. Es macht Spaß zuzuschauen, wie aus Alltäglichkeiten Streitsituationen erwachsen, gespickt mit pointierten Dialogen und allerhand verbalen Scharmützeln. Der tiefgründige Wortwitz sorgt dann auch dafür, dass immer neue Facetten der Figuren freigelegt werden, die Fassaden zu bröckeln beginnen.