The Who and the What

Schauspiel von Ayad Akhtar
Deutsch von Barbara Christ

Das Beste in seinem Leben sind seine Töchter, sagt der Taxiunternehmer Afzal. Dank seines sensationellen wirtschaftlichen Aufstiegs – ihm gehört ein riesiges Taxiunternehmen in Atlanta – kann der aus Pakistan in die USA ausgewanderte Geschäftsmann ihnen ein komfortables Leben und eine gute Ausbildung finanzieren. Die Liebe zu seiner Familie und der Glaube an Allah und den Propheten Mohammed sind die Grundfesten im Leben des Witwers. Nur eins bereitet ihm Sorge: Seine ältere Tochter Zarina, sie ist mittlerweile schon über 30 Jahre alt, denkt nicht ans Heiraten. Sie konzentriert ihre ganze Energie auf ein Buch über die Frauen und den Islam, an dem sie schreibt. Aber ehe die große Schwester nicht verheiratet ist, darf auch die jüngere Mahwish ihren langjährigen Freund nicht ehelichen. So will es die Tradition, die der Vater hochhält, auch wenn er schon lange in Amerika und nicht mehr in Pakistan lebt.

Deshalb greift Afzal zu einem Trick. Er gibt sich auf muslimlove.com als seine Tochter aus und sucht für sie einen Mann, einen strenggläubigen Muslim selbstverständlich. Wenn ihm ein Kandidat passend erscheint, nimmt er den Verwirrten, der auf ein Date mit Zarina hofft, höchstpersönlich unter die Lupe. Endlich findet er Eli, einen zum Islam konvertierten Amerikaner, der sogar einer Moschee vorsteht. Und tatsächlich kommen Zarina und Eli einander näher und werden ein Paar. Eli unterstützt sogar die Arbeit an ihrem Buch. Zarina schreibt über den Propheten Mohammed und fragt: Wer war er als Mensch? Welche Leidenschaften und Zweifel trieben ihn um? Und sie stellt die Frage, ob nicht einige Gebote, die noch 1400 Jahre später insbesondere das Leben der Frauen im Islam bestimmen, aus Fehlinterpretationen bestimmter  Situationen im Leben Mohammeds durch islamische Rechtsgelehrte resultieren. Ein Buch mit Sprengkraft. Als Afzal das Manuskript in die Hände bekommt, zieht es ihm den Boden unter den Füßen weg.

Dem vielfach ausgezeichneten amerikanischen Schriftsteller Ayad Akhtar, dessen Familie selbst aus Pakistan stammt, gelingt mit »The Who and the What« das Kunststück, hochaktuelle und brisante gesellschaftliche Fragen zur Rolle der Frau im Islam in einem humorvollen Well-made Play zu verhandeln. Klug, mit witzigen und pointierten Dialogen und sehr liebevoll gezeichneten Charakteren zeigt er die Widersprüche zwischen der religiös geprägten Kultur und dem Leben in einer modernen Gesellschaft. Das Stück gerät zu einem großen Plädoyer für die Liebe, die kulturelle und glaubensbedingte Fesseln sprengen kann. Es entstand 2014 und wurde 2017 am Schauspielhaus Hamburg zum ersten Mal in Deutschland aufgeführt. Der Titel »The Who and the What« bezieht sich auf den Unterschied zwischen dem WER und dem WAS in der Liebe: Beurteilen wir einen Menschen danach, WAS wir über ihn wissen, also nach seiner Herkunft oder sozialen Stellung? Oder messen wir ihn daran, WER dieser Mensch wirklich ist?

 

Sie möchten mehr über die Inszenierung erfahren? Dann hören Sie doch in unsere 36. Podcastfolge hinein.

Julia Klug | Heilbronner Stimme | 4.10.2022

Ayad Akhtar stellt seine Fragen nach der Richtigkeit von Glaube und Tradition in »The Who and the What« nicht mit erhobenem Zeigefinger. Stattdessen packt er seine vielschichtige Auseinandersetzung in eine zum Kammerspiel verdichtete Familienkomödie. Am Samstagabend feierte das Stück in der Inszenierung von Kay Wuschek im Großen Haus Premiere. Zwei Stunden voll witziger Dialoge und fundamentaler Kritik, die ein spielfreudiges Ensemble getragen von starken Einzelleistungen auf die Bühne bringt. (...) Viel Jubel und Applaus für einen unterhaltsamen Abend.