Ab in den Schrank

von Sébastien Castro
Deutsch von Kim Langner

Paris an einem ganz normalen Frühlingstag um 21 Uhr. Guillaume hat die Umzugskisten in seiner neuen Wohnung ausgepackt und will seine jüngste Online-Eroberung Julie per SMS zu sich einladen. Schnell holt er noch zwei Flaschen Champagner aus dem Laden um die Ecke, als plötzlich ein wildfremder Mann bei ihm in der Wohnung steht. Youssouf hat ein Stück Wand von seinem Wohnzimmer zu Guillaumes Flur herausgesägt. Er möchte seinen Einbauschrank zurück, erklärt Youssouf dem verdutzten Guillaume. Laut Grundriss gehöre der Schrank zu seiner Wohnung.

Früher waren die beiden benachbarten Wohnungen mal eine ganze. Bei der Teilung hätten sich die früheren Nachbarn widerrechtlich den Einbauschrank angeeignet, alle juristischen Auseinandersetzungen seit 1967 blieben erfolglos. Nun hat Youssouf einfach Tatsachen geschaffen.

Guillaume hängt nicht wirklich an dem Einbauschrank und überlässt ihn Youssouf gern. Er soll nur ganz schnell die Wand wieder dichtmachen, denn er erwartet sehnsüchtig die bildschöne Julie, der er eine heiße Nachricht nach der anderen schickt. Doch oh Schreck! Eine der Messages mit dem Inhalt »Ich habe Lust auf dich« sendet Guillaume aus Versehen an seine Ex-Freundin Christelle. Ausgerechnet an die Frau, vor der er sich mit der neuen Adresse und anderer Telefonnummer verstecken will. Sie hat die Trennung vor einiger Zeit nicht akzeptieren wollen und nutzt nun natürlich sofort die Chance, sich bei Guillaume zu melden. Youssouf will Guillaume beistehen und Christelle am Telefon abwimmeln. Doch mit seiner Ungeschicklichkeit stiftet er erst richtig Chaos, weil er versehentlich die Adresse ausplaudert.

Kurz darauf klingelt es unten an der Haustür. Christelle! Zum Glück gibt es dieses Loch in der Wand! Ab in den Schrank! Und von da aus in Youssoufs Wohnung. Soll der doch Guillaumes Frauenprobleme lösen. Und das macht der gründlicher, als es Guillaume lieb sein kann.

Fehlgeleitete Nachrichten haben schon so manche Krisen ausgelöst. Aber was Sébastien Castro aus dieser fast alltäglichen Situation macht, ist an absurdem Humor kaum zu überbieten. Verwechslungen, eifersüchtige Ex- und aktuelle Partner, schöne Frauen, eitle Männer, ein Lebenskünstler und eben ein Loch in der Wand sind die Zutaten dieser schwindelerregend turbulenten Geschichte, in der kein Stein auf dem anderen bleibt.

Sébastien Castro ist ein in Frankreich sehr bekannter Film- und Theaterschauspieler. »Ab in den Schrank« ist sein erstes Stück. 2019 in Paris uraufgeführt, erobert es seit 2021 auch die Bühnen in Deutschland als Boulevardkomödie mit liebenswerten Charakteren, in der es um die Tücken der Anbahnung von Beziehungen geht.

Andreas Sommer | Heilbronner Stimme | 27. November 2023

Die Premiere geriet … im Großen Haus des Stadttheaters zum Triumph: Ganz einfach, weil Regisseur Max Claessen in seiner ersten Heilbronner Regiearbeit alles richtig macht, die Ausstattung von Nikolaus Frinke … den freundlich-gelassenen Blick Claessens auf den Stoff visuell umsetzt und weil das sechsköpfige Ensemble das Format hat, zwei Stunden lang Verwechslungskomödie ohne Peinlichkeit zu spielen. Das Stück ist so schwindelerregend schnell, dass es seinen Witz nur auf der Überholspur von der Leine lässt. Und Claessens Regie lupft die Tempo-Orgie exakt auf Punkt und Pointe. … Das Ende ist verrückt absurd, mon dieu! Viel Beifall für einen großen Spaß.