Mein Freund Harvey

(Harvey) · Komödie von Mary Chase
Deutsch von Alfred Polgar

Man kann sich keinen liebenswürdigeren Herrn vorstellen als Elwood P. Dowd. Stets ist er zuvor­kommend und großzügig zu seinen Mitmenschen. Warum nur sind seine Schwester Veta und deren Tochter Myrtle, mit denen er seit dem Tod seiner Mutter in einer großzügigen Villa lebt, seinetwegen am Verzweifeln? Nun ja, Elwood erstaunt seine Umgebung seit ­einiger Zeit mit einer merkwürdigen Eigenheit: Überall erscheint er mit seinem Freund Harvey, den allerdings niemand außer ihm selbst sieht. Er hält ihm immer ­einen Platz frei, berät sich mit ihm in Gesellschaft und stellt, höflich wie er ist, jedem seinen Begleiter vor.

Da Elwood wegen seines reichen Erbes fröhlich in den Tag hineinleben kann, zieht er am liebsten mit Harvey durch die Wirtshäuser und Clubs der Stadt, wo er täglich neue, aber nie langanhaltende Bekanntschaften macht. Elwood spürt sehr wohl die schaudernde Irritation der Menschen, wenn er sie mit seinem Freund bekannt macht. Das kann seine notorisch gute Laune aber nicht trüben, denn er weiß: »Wenn Harvey an jemandem Gefallen findet, zeigt er sich unverkennbar. Wenn ihn eine Person nicht interessiert, ist er wie nicht vorhanden …«

Harvey ist ein mannshoher weißer Hase in feinem Zwirn und Hut, den Elwood eines Nachts nach einem Kneipenbesuch kennengelernt hat – ein Puka, nach der keltischen Mythologie ein Geist in Tiergestalt.
Für Veta und Myrtle ist Elwoods »verrücktes« Verhalten ein großes Problem, denn sie sind zu gesellschaftlichen Außenseitern geworden. Myrtle wünscht sich dringend einen Mann, doch wer will schon die Nichte des Sonderlings heiraten. Die beiden sind sich einig: Elwood muss aus dem Verkehr gezogen werden. Ab mit ihm in ein Sanatorium für Geisteskranke. Denn wer riesige weiße Hasen sieht, der kann doch nicht ganz richtig im Kopf sein.
Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Was hier beginnt, ist ein turbulentes Spiel um Verrücktheit und Normalität mit aberwitzigen Wendungen und einem ganzen Ensemble schräger Charaktere – die Rollen sind ein wahres Fest für Komödianten.  

Mary Chase (1907 – 1981) hörte von ihrer irischen Mutter die Geschichten über faszinierende Geisterwesen und ließ sich davon inspirieren. »Mein Freund Harvey« wurde 1944 am Broadway uraufgeführt und erreichte mit 1775 Aufführungen einen überwältigenden Erfolg. Im Jahre 1945 wurde ihr für diese hintergründige Komödie, welche die Poesie über den Alltag und die Konventionen siegen lässt, der Pulitzer-Preis verliehen. Mary Chases Wunsch war es, mit dieser Komödie einige glückliche Momente in den Alltag der Menschen zu zaubern. Das Stück ist mehrfach verfilmt worden – im Original 1950 mit James Stewart, später in Deutschland mit Harald Juhnke und Heinz Rühmann.