Woyzeck

von Georg Büchner

Am 21. Juni 1821 brachte der Friseur Johann Christian Woyzeck seiner Geliebten Johanna Christiane Woost mit einer abgebrochenen Degenklinge aus Eifersucht sieben tödliche Wunden bei. Drei Jahre später, am 27. August 1824, wurde er dafür zum Tode verurteilt und am Leipziger Rathaus vor 5000 Zuschauern hingerichtet.

1836 beginnt der 23-jährige Arzt und Schriftsteller Georg Büchner diesen Fall in einem Theaterstück zu verarbeiten. Sein Woyzeck ist genau wie das historische Vorbild ein mittelloser Mann aus prekären Verhältnissen, der von Gelegenheitsjob zu Gelegenheitsjob hetzt und sich damit mehr schlecht als recht über Wasser hält. Er ist Barbier bei einem neurotischen Hauptmann, welcher seine sadistische Ader an Woyzeck auslebt und ihm immer vorhält, dass er so verhetzt aussehe. Auch bei einem Doktor, dem er sich für ein Experiment zur Verfügung stellt, verdient er ein bisschen Geld. 90 Tage lang darf er nichts anderes essen als Erbsen. Der Doktor ist begeistert, dass sein Experiment gut funktioniert und dass an Woyzeck die Folgen der Mangelernährung so deutlich sichtbar werden. Der Proband leidet unter massivem körperlichem Verfall und Wahnvorstellungen. Sein weniges Geld gibt Woyzeck Marie, mit der zusammen er ein uneheliches Kind hat. Die lebenshungrige Frau verliebt sich in den Tambourmajor, einen stattlichen Mann. Als Woyzeck davon erfährt, verliert er den letzten Halt und richtet seine ganze unterdrückte Wut gegen das Wesen, das er am meisten liebt. Er tötet Marie mit sieben Messerstichen.

An dieser Stelle endet Büchners »Woyzeck« und bleibt unvollendet. Der Autor stirbt während der Arbeit an dem Stück im Alter von nur 24 Jahren an Typhus. 31 lose Szenen sind überliefert, ohne dass erkennbar ist, wie Büchner diese Szenen anordnen wollte. Die Manuskriptseiten haben keine Seitenzahlen, die Szenen sind nicht nummeriert. Im Druck erschien »Woyzeck« erstmals 1878 in einer stark überarbeiteten und vom Herausgeber veränderten Fassung. Erst am 8. November 1913 wurde »Woyzeck« in München uraufgeführt und gehört seitdem zu den meistgespielten und einflussreichsten Dramen der deutschen Literatur.

Georg Büchner untersucht in »Woyzeck« die Auswirkungen sozialer Verelendung. Es sind die Umstände, die Mitschuld an Woyzecks Verbrechen haben: Armut, Arbeitshetze, Drill und permanente Demütigung. Zum ersten Mal hat Büchner die Arbeit und die Angst vor deren Verlust als Element der Unterdrückung literarisch thematisiert.

Sie möchten mehr über die Inszenierung erfahren? Dann hören Sie doch in unsere 55. Podcastfolge hinein.

Claudia Ihlefeld | Heilbronner Stimme | 25.09.2023

Vornam lässt Büchners Sätze mitunter mit langen Pausen zerdehnen, wie er überhaupt der Handlung Zeit lässt, auch wenn Woyzeck ein Getriebener ist. So entstehen Momentaufnahmen von großer Dringlichkeit …

Rechts und links der Bühne werden auch immer wieder Nahaufnahmen live auf zwei Leinwände projiziert. Close Ups wie Psychogramme, wenn sich Woyzeck am Boden windet und Voss die Seelenqualen ins Gesicht geschrieben stehen …

Wenn der Doktor (Sebastian Kreutz) … Woyzeck vor seinen Studenten vorführt, wenn er ihn demütigt und nötigt Wasser zu lassen, dann wird die Ausweglosigkeit dieser Existenz greifbar. Großes Schauspieltheater gelingt, wenn Nils Brück als schwärmerisch-schwermütiger Hauptmann Woyzeck triezt.

Nach knapp zwei Stunden viel Applaus.

 

Uta Reichardt | Ludwigsburger Kreiszeitung | 25.09.2023

Axel Vornam unterstreicht die Tragik der Geschichte klug, indem er gerade in der Ausstattung (Tom Musch) stark auf atmosphärische Elemente setzt, allen voran auf Wasser …

In den Szenen, die Woyzecks Wahn in den Vordergrund rücken – grandios in lauter Verzweiflung wie in leiser, kriechender Angst dargestellt von Sven-Marcel Voss – herrscht eine extreme Dunkelheit und eine oft bedrückende, ja schauerliche Stille, die den gesamten Saal ergreift …

Unbedingt erwähnenswert sind … auch Romy Klötzel und Nils Brück. Beide lassen ihre Figuren überragend authentisch agieren, was im Falle des Hauptmanns bei aller Tragik des Stoffes sogar für Schmunzeln sorgt …

Das Abgründige einer Gesellschaft am Schicksal eines einzelnen wird vom Theater Heilbronn mit mächtigem Sog umgesetzt.