Die Physiker

Komödie von Friedrich Dürrenmatt

Nervenärztin Mathilde von Zahnd führt ein Sanatorium von Weltruf, das bereits die geistig verwirrte Elite des halben Abendlandes beherbergt hat. Ihre derzeitigen Lieblingspatienten sind drei Physiker: Einer hält sich für Einstein, der andere für Newton und der dritte, Johann Wilhelm Möbius, behauptet, König Salomo erscheine ihm. Konsequent schützt Fräulein von Zahnd die Physiker vor den Nachforschungen der Polizei, die nun schon im zweiten Mordfall an einer Krankenschwester im Sanatorium ermittelt. Den ersten verübte »Newton«, den zweiten »Einstein« – aber da es sich um arme Geisteskranke handelt, dürfen sie nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Polizei ahnt nicht, dass keiner der drei Physiker wirklich krank ist. Kernphysiker Möbius versteckt sich seit 15 Jahren im Sanatorium, um sich und die ganze Welt zu schützen. Er hat die »Weltformel« entwickelt – eine ebenso bahnbrechende wie gefährliche Entdeckung, die, wenn sie in falsche Hände gelangt, den Planeten zerstören könnte. Auch »Newton« und »Einstein« sind nicht verrückt, sondern die Abgesandten zweier konkurrierender Geheimdienste, die hinter dem Genie Möbius her sind. Die ermordeten Krankenschwestern kamen ihnen auf die Schliche. Durch die Ermittlungen der Polizei wird die Lage ziemlich brenzlig, die drei offenbaren sich einander. Beide Geheimdienstler wollen entkommen, und jeder möchte vorher Möbius auf seine Seite ziehen. Doch der hat seine Manuskripte verbrannt und begründet diesen Schritt: »Es gibt Risiken, die man nie eingehen darf: der Untergang der Menschheit ist ein solches.« Allerdings haben die Physiker die Rechnung ohne Fräulein von Zahnd gemacht.

Im überaus unterhaltsamen Gewand einer Komödie verhandelt Friedrich Dürrenmatt in den »Physikern« die große und bis heute aktuelle Frage nach der Verantwortung der Wissenschaft. Als das Stück 1961 entstand, war das atomare Wettrüsten zwischen den USA und der Sowjetunion auf dem Höhepunkt. Mit der Kubakrise 1962 stand die Welt am Rande eines Atomkrieges. »Die Physiker« waren das Stück der Stunde und wurden in der Saison 1962/63 das meistgespielte Werk auf deutschsprachigen Bühnen. Heute sind es auch Forschungen in der Gentechnik oder über die Künstliche Intelligenz, wo ethische Fragen die Nutzung der Erkenntnisse auf den Prüfstand stellen. Aber ebenfalls die Gefahr des Einsatzes atomarer Waffen ist wieder bedrohlich real geworden. Dürrenmatt selbst sah sich als Diagnostiker, nicht als Therapeuten. Für ihn war die Komödie die einzig vertretbare Form der Darstellung einer undurchschaubaren Welt, in der das Individuum seine Machtlosigkeit erlebt.

Sie möchten mehr über die Inszenierung erfahren? Dann hören Sie doch in unsere 49. Podcastfolge hinein.